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Dokumentation
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Selbstmord oder Mord - tertium non datur |
Für einen ersten Überblick empfiehlt sich der
Wikipedia-Artikel "Kirsten Heisig"
Man beachte dort auch
Diskussion (I)
und
Diskussion (II)
(Links ab 17.11.2014 ungültig)
über diese Dokumentationsseite.
Diese beiden (und weitere) Diskussionen zum Heisig-Artikel
wurden am 17. November 2014
(n.b. kurz vor der Ausstrahlung des ARD-Films
Das Ende der Geduld; ARD, 19. November 2014, 20:15 h)
in das "Wikipedia-Archiv" verlagert.
Sie sind damit zwar nicht mehr unmittelbar sichtbar,
aber über die neuen Links
Diskussion (I)
und
Diskussion (II)
weiterhin einzusehen.
Kirsten Heisig habe sich selbst getötet. Dies wurde indirekt bereits während der mehrtägigen Suche nach der Vermissten von Polizei und Behörden verlautbart: es gebe "keinen Hinweis auf eine Straftat". Obwohl die Vorgeschichte Heisigs an sich Hinweis genug war ("Wir alle glaubten an einen Racheakt"; siehe unten: 8. März 2011), folgten die Leitmedien unisono in ihren Berichten den amtlichen Vorgaben und informierten nicht einmal über die Verhängung einer totalen Nachrichtensperre, geschweige denn, dass sie deren Aufhebung forderten. Nach einer mehrtägigen Suche, deren Ungereimtheiten nie näher thematisiert wurden, wurde Heisigs Leiche gefunden und die Suizidthese eiligst, innerhalb weniger Stunden, amtlich bestätigt. Zweifel blieben dennoch, sowohl bei Freunden und Bekannten Heisigs als auch bei einigen kritischen Beobachtern. Für die Leitmedien samt Gefolgschaft war der Fall allerdings erledigt, ohne dass naheliegende Verdachtsmomente für einen Mord auch nur erwogen, geschweige denn investigativ untersucht wurden. Das hat die Zweifel eher noch verstärkt. Die sich ergebende Frage, warum Polizei und Justiz - freilich ohne explizite "Verschwörung" - den Mord an einer prominenten Kollegin vertuscht haben könnten, führte in hochsensible Bereiche unserer ungeschriebenen Staatsdoktrin und wurde deshalb peinlichst vermieden.
Weil eine Aufklärung des Falles vorerst nicht möglich zu sein scheint (Akteneinsicht? "In diesem Fall gewiss nicht!"; siehe unten: 15. Sept. 2010), möge die folgende Zusammenstellung veröffentlichter Texte als Hilfe zur Bildung eines Urteils über den Sachverhalt dienen.
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23. Nov. 2006, Der Tagesspiegel (Berlin) Erster Schritt Heisigs in die Öffentlichkeit. "Zivilisatorische Standards gelten nicht mehr" Hass und Angst gehören in manchen Bezirken zum Alltag. Vor einer neuen Dimension der Jugendgewalt warnen die Richter Kirsten Heisig und Günter Räcke. Dieses Interview war der erste Schritt zweier Jugendrichter in die Medienöffentlichkeit, an sich schon ein Verstoss gegen ungeschriebene Standesregeln. Besonderes Aufsehen erregte er, weil hier zwei Praktiker Klartext über ein tabuisiertes Problem sprachen. Auszüge: |
November 2006: Wie Heisig in die Medien kam. Nach dem spektakulären Interview im Tagesspiegel nahm die Unternehmens- und Politikberaterin Oda Dridi-Dörffel Kontakt zu Kirsten Heisig auf. Über ihre anschließende Zusammenarbeit berichtete sie am 18. Nov. 2010 in dem Blog www.pi-news.net: Auszüge: |
7.-9. Dez. 2007 Tagung Migration ohne Integration? Möglichkeiten zur Wende in der Integrationspolitik im Kloster Banz, veranstaltet von der Hanns-Seidel-Stiftung Der Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch, Leiter der Intensivtäterabteilung, hielt einen Vortrag Migration und Kriminalität (pdf, 24 Seiten), in dem er "auf die seit 1980 kontinuierlich steigende Kriminalität jugendlicher Ausländer verwies und deren soziales Umfeld, nämlich sozial randständige Familien, vor allem mit bildungsfernem Hintergrund." Seine Ausführungen und Forderungen nahmen manches von dem vorweg, was Kirsten Heisig dann aus ihrer Erfahrung in ihrem Buch schrieb. Abschließend stellte er fest, dass die Bekämpfung dieser Missstände daran scheitert, dass der politische Wille dazu fehlt und auch nicht in Sicht sei. Dies, hoffte er, "kann sich aber ändern, z.B. dadurch, dass die Größe des Problems in immer weiteren Kreisen der Öffentlichkeit bekannt wird und sich auf diese Weise Druck aufbaut, dem sich die Politik schließlich nicht mehr entziehen kann." Reusch wurde jedoch so rigoros diszipliniert, dass er gar nicht beginnen konnte, diesen Druck aufzubauen. Als er eingeladen wurde, am 9. Jan. 2008 in Frank Plasbergs Talkshow Hart aber fair über Jugendkriminalität zu diskutieren, wurde ihm die Teilnahme von seinem Vorgesetzten, dem Leitenden Oberstaatsanwalt Andreas Behm (s.u., 15. Sept. 2010), verboten. Auf Veranlassung der SPD-Justizsenatorin Gisela von der Aue - die im Todesfall Kirsten Heisig eine wichtige Rolle spielen wird - wurde ihm seine Zuständigkeit für Jugendkriminalität entzogen und er in eine andere Abteilung versetzt. Der Fall wurde in den Berliner Zeitungen ausgiebig diskutiert. Kirsten Heisig war als Richterin da in einer geschützteren Position; sie konnte nicht, wie der beamtete Staatsanwalt, einfach "weggereuscht" (so seither der Berliner Volksmund für politisch motivierte Versetzungen) werden. Der Fall Reusch zeigt deutlich, gegen welches ungeheure Potential an ideologisch begründeter Feindseligkeit sie antrat. |
4. Januar 2008, ZDF, Heute-Journal Live-Interview, lt. Oda Dridi-Dörffel (s.o., Nov. 2006, geschrieben am 18. Nov. 2010) Kirsten Heisigs "endgültiger Durchbruch in der bundesweiten Öffentlichkeit". Es folgten zahlreiche Auftritte und Interviews in Fernsehen, Radio und Presse, beispielsweise: 18. Okt. 2008, rbb-Talk, Berliner Abendschau 15. Dez. 2008, DER SPIEGEL, "Unbequeme Wahrheiten" 10. Jan. 2009, 9:05-11:00, Deutschlandradio Kultur. Studiogespräch: Dieter Kassel mit den Gästen Kirsten Heisig und Güner Balci 5. April 2009, 21:45-22:45, ARD, Talkshow "Anne Will" 3. Juni 2009 22:20, rbb-Klartext: "Neuköllner Erfolgsmodell" 11. Sept. 2009, SPIEGEL-TV, "Jugendrichterin Gnadenlos" 17. Sept. 2009, 22:15-23:15 h, ZDF, Talkshow "Maybrit Illner" Thema: Der Mord in München-Solln Gäste: Konrad Freiberg (Vors. der Gewerkschaft der Polizei), Kirsten Heisig (Jugendrichterin), Joe Bausch (Gefängnisarzt), Giovanni di Lorenzo (Publizist) 7. Okt. 2009, WDR5, Tischgespräch mit Ulrich Horstmann 10. Okt. 2009, DER SPIEGEL, Interview "Ich bin mit dem größten Macho klargekommen" 10. März 2010, Talkshow Phoenix-Runde: "Ein Jahr nach Winnenden - wird unsere Jugend immer brutaler?" 29. Mai 2010, RTL, stern-TV 26. Juni 2010, SPIEGEL-TV: "Mit der Faust durch die Wand: Jugendgewalt in Deutschland" 10. Juli 2010, ZDF, "Peter Hahne" (nicht gesendet, s.u. 26.06.2010) |
18. Sept. 2008, Berliner Morgenpost Kirsten Heisig: Wir brauchen Mut zu neuen Wegen. "'Die Berliner Kriminalitätsstatistik weist eine sinkende Zahl von Straftaten aus.' Diese häufig in den Medien veröffentlichte Aussage ist jedoch nur teilweise zutreffend. Insbesondere bei den Rohheits- und Gewaltdelikten, deren Bekämpfung für die Wahrung des sozialen Friedens am wichtigsten ist, steigt die Zahl der Delikte. Wer sind die Täter, wer sind die Opfer? Bei Delikten der Gewaltkriminalität ist auf der Täterseite die Anzahl junger Männer nicht deutscher Herkunft - es muss hier vorrangig von türkischstämmigen, aber noch deutlicher von arabischstämmigen Tätern die Rede sein - dreimal höher als bei deutschen Jugendlichen und Heranwachsenden. Hinzu kommt nach meinen langjährigen Erfahrungen als Richterin mit derartigen Verfahren, dass bei Gewalttaten, bei denen die Täter Migranten sind, auf der Opferseite zu etwa einem Dreiviertel Personen ohne den auf Täterseite erwähnten Migrationshintergrund stehen. Es ist in meinem Zuständigkeitsbereich zunehmend festzustellen, dass die Opfer von Straßenraubtaten und massiven Körperverletzungsdelikten jetzt nicht lediglich beraubt und zusammengeschlagen werden, sondern sie zudem mit 'Scheißdeutscher', 'Schweinefleischfresser' oder 'Scheißchrist' bedacht werden. Für alle Beteiligten in der Justiz gilt: Oberste Priorität hat die Beschleunigung. Das bedeutet, dass das Familiengericht beispielsweise umgehend anzurufen ist, wenn die betroffenen Eltern keine Hilfe zur Erziehung annehmen. Dabei ist festzustellen, dass die erforderlichen Instrumentarien bereits vorhanden sind. So bestimmt das Sozialgesetzbuch Art und Umfang der Hilfen zur Erziehung. Der Einsatz von Familienhelfern ist hier vor allem ratsam. Das Familiengericht kann danach bei Kindeswohlgefährdung auf bloße Anregung des Jugendamts oder anderer Behörden tätig werden. Hieran fehlt es gegenwärtig zum Teil. Die Jugendämter stellten bislang verhältnismäßig selten Anträge auf Verhängung repressiver sorgerechtlicher Maßnahmen. Es kann hier im äußersten Fall auch zu einer Herausnahme des Kindes aus der Familie kommen. Eine solche hat nach meinem Wissen ohne Einverständnis der zum Teil völlig beratungsresistenten Familien bislang noch nicht stattgefunden. Es hat aber von Rechts wegen ausschließlich das Kindswohl im Zentrum aller Bemühungen zu stehen. Dieses ist nach meiner jugendrichterlichen Erfahrung mit einer Vielzahl von deckungsgleichen Lebensläufen zum Teil massiv gefährdet. Besonders dann, wenn der Schulbesuch seitens der bildungsfernen Elternhäuser nicht gefördert, teilweise schlicht nicht ermöglicht wird und das Kind sich bereits im strafunmündigen Alter in eine kriminelle Richtung zu entwickeln droht. Den Eltern der Jugendlichen müssen die Behörden mehr als bisher deutlich machen, dass das Heraushalten der Kinder aus der hiesigen Gesellschaft eine Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht darstellen kann. Dabei handelt es sich um einen Straftatbestand. Eine Erhöhung der Höchststrafe der Jugendstrafe von 10 auf 15 Jahre bringt aus meiner Sicht nichts, wenn wir am Erziehungsgedanken festhalten wollen, was unstreitig ist. Wer innerhalb von zehn Jahren nicht erzogen wurde, bei dem gelingt das in weiteren fünf Jahren auch nicht. Auch eine Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre halte ich für wenig hilfreich. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wir brauchen den Mut zu neuen Wegen." |
19. Sept. 2008, Berliner Morgenpost Jens Anker: [Reaktionen auf Kirsten Heisigs Artikel vom Vortag] SPD und Grüne attackieren Neuköllner Jugendrichterin SPD-Integrationsexperte Raed Saleh: "Das sind plumpe Forderungen aus der einseitigen Wahrnehmung ihrer Tätigkeit." |
1. März 2010 Bürgerinnen-Preis "Liberta" (2009) der FDP, verliehen an Kirsten Heisig und Gabriele Minz. ![]() |
März 2010 "Republikanische" Kollegen: Kirsten Heisig ist als Jugendrichterin wegen Befangenheit abzulehnen
Informationsbrief Nr. 103, S. 30-32 Rüdiger Jung (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht): "Es vergeht kaum ein Monat, in dem die Jugendrichterin Kirsten Heisig nicht in Printmedien oder im Fernsehen neue Horrorszenarien über den Untergang des Abendlandes bzw. über die Abwehrschlacht der Deutschen gegen die unverschämten türkischen und/oder arabischen Jugendlichen in Berlin zum Besten gibt. |
27. März 2010, Stuttgarter Zeitung Katja Bauer: Die unbequeme Richterin Die Senatorin sprach nicht mit Kirsten Heisig, der personifizierten Kompetenzüberschreitung "Mitte dieses Jahres wird das 'Neuköllner Modell' berlinweit in allen Polizeidirektionen umgesetzt sein. Die Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) notiert sich das in ihrer politischen Erfolgsbilanz. Was nicht heißt, dass sie auch nur ein einziges Mal persönlich mit der Richterin gesprochen hätte. 'Es war ja keine Erfindung von mir', sagt die bescheiden. Das Gesetz sieht beschleunigte Verfahren vor. Aber es gab sie eben bisher nicht. 'In den eigenen Reihen habe ich am Anfang nichts als irritiertes Schweigen geerntet.' Schon allein deshalb, weil es nicht üblich ist, dass einer aus dem Fußvolk einfach Dinge ändert. Aber auch, weil es eben Kirsten Heisig war, die es änderte. Denn diese kleine Frau mit der hellen Stimme stört irgendwie dauernd. Sie sagt den anderen, was bei ihnen falsch läuft. Der Polizei, den Ämtern, der Politik. Sie beklagt die Zustände in den Schulen, sie zürnt über den Berliner Senat, weil er die Meldepflicht für minderschwere Delikte an Schulen aufgehoben hat. Sie ist die fleischgewordene Kompetenzüberschreitung." |
1. Juni 2010 Einführung des von Kirsten Heisig initiierten "Neuköllner Modells", das seit Anfang 2008 in einigen Bezirken erprobt wurde, in ganz Berlin. |
17. Juni 2010, ZDF, heute-journal: Interview mit Kirsten Heisig Ausschnitte zitiert im heute-journal vom 26. Juli 2010 O-Ton Kirsten Heisig: |
26. Juni 2010, Aufzeichnung für die ZDF-Talkshow "Peter Hahne" Peter Hahne: Kirsten Heisig war "selbstbewusst, klar, engagiert, und kein bisschen resignativ." Die für den 10. Juli geplante Ausstrahlung des Interviews Hahnes mit Heisig wurde nach Bekanntgabe von Heisigs Suizid gestrichen. Über die Begründung äußerte sich Hahne in einem Interview am 27. August 2010: [ ... ] Hat es mit Gründen der Religion zu tun, dass Ihr Interview mit der Jugendrichterin Kirsten Heisig, die sich zwei Tage später das Leben nahm, nicht ausgestrahlt wird? Hahne: Nein. Überhaupt nicht. Es gab in dem Moment, als sie als vermisst gemeldet wurde, eine klare Absprache, auch mit unserer Rechtsabteilung, die lautete: Sollte es ein gewaltsamer Tod sein, mit Fremdeinwirkung, werden wir es ausstrahlen, weil es der Frau auch ein Denkmal setzt. In der Sekunde, wo sich herausstellt, dass es Selbstmord ist, zeigen wir es nicht. Das hat bei mir vielleicht auch etwas mit meinem persönlichen Glauben zu tun - ich hatte aber letzten Endes mit der Entscheidung nichts zu tun. Wir haben den Entschluss immer wieder diskutiert, auch als ihr Buch herauskam und das Interesse immer größer wurde, immer mehr Zeitungen berichteten, weshalb dann auch eine Antwort von ihr - auf meine Frage, ob sie Angst hat - veröffentlicht wurde. Da haben wir gesagt: Den O-Ton geben wir raus, weil er auch ein Beleg dafür ist, wie selbstbewusst und klar und engagiert die Frau war. Den O-Ton - freilich nur eine kleine Probe - hatte Hahne allerdings schon am 6. Juli in einem anderen Interview bekannt gegeben: Bei Mord die Sendung ausstrahlen, als "Denkmal", bei Selbstmord nicht. Versteht sich das von selbst, ohne Begründung? Am 8. April 2011 erinnerte sich Hahne in der Oldenburger Nordwest-Zeitung an die Suizid-Meldung: "Ich habe das damals nicht fassen können." Ungefragt fügte er hinzu, dass ihm und der Redaktion sofort klar gewesen sei, dass eine Ausstrahlung nicht in Betracht käme. Die Frage des Interviewers nach der Begründung blieb auch hier aus. |
Donnerstag, 1. Juli 2010, ca. 9:00 h (erster Kommentar 9:25 h)![]() Eilmeldung: Richterin Kirsten Heisig vermisst (*) UPDATE 13 Uhr: Nach Informationen aus "Ermittlerkreisen" sind Anhaltspunkte vorhanden, die leider auf einen Suizid schließen lassen. Diese Meinung vertrat die Redaktion von da an, ganz in Einklang mit den "politisch korrekten" Leitmedien, ohne jede nähere Begründung - was sich so auswirkte, dass Kommentare, die die Suizidthese anzweifelten, oftmals umgehend gelöscht wurden. In einem redaktionellen Kurzhinweis vom 29. Juli auf das gerade erschienene Buch von Heisig heißt es: "Das von der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig geschriebene Buch Das Ende der Geduld erscheint nach ihrem Selbstmord, der übrigens weder von ihrer Familie noch von Freunden angezweifelt wird, wie ein Vermächtnis..." Daraufhin kommentierte Leser/in Marti (Nr. 39, 29.7., 10:42 h): Die barsche Antwort:
(*) 6. Juni 2011 (Nachtrag): Eilmeldung: Richterin Heisig vermisst
16. Juni 2011 (Nachtrag zum Nachtrag): |
Donnerstag, 1. Juli, bis Sonntag, 4. Juli 2010
Am 1. Juli erschienen die ersten Berichte über die vermisste Jugendrichterin Kirsten Heisig in örtlichen und überregionalen Zeitungen, von nun an täglich, in den Online-Portalen auch mehrmals täglich. Kennzeichnend für alle Berichte in den Medien ist, dass die nächstliegende Vermutung, Heisig sei entführt oder gar ermordet worden, auch nicht andeutungsweise erwähnt wurde. Dies war in der Folge unisono in den Leitmedien und deren publizistischem Tross zu lesen. Man gab sich - aufgrund der Verhängung einer totalen Nachrichtensperre die politische Brisanz des Falles gewiss bemerkend - mit dieser Version zufrieden. Beispiel: Der Tagesspiegel (Berlin): Am Sonnabend, den 3. Juli, wurde also Heisigs Leiche am frühen Nachmittag, gegen 15:45 h, gefunden, wenige hundert Meter von dem Ort entfernt, an dem ihr Wagen geparkt war. An diesem Tag, von 16:00 bis 17:45 h, fand eines der spannendsten Spiele der Fussballweltmeisterschaft statt: Deutschland gegen Argentinien im Viertelfinale. Deutschland gewann sensationell 4:0. Trotz des allgemeinen Siegestaumels berief die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue, die schon in den Vortagen nachdrücklich die These "kein Verbrechen" verkündet hatte, um 18:00 h zur Pressekonferenz in die Justizverwaltung. Sie wolle Kirsten Heisig würdigen und "den Spekulationen ein Ende bereiten." Um welcherart Spekulationen es sich handelte, sagte sie nicht. Stattdessen verkündete die Senatorin, "die zeitweilig nur schwer ihre Tränen zurückhalten konnte", folgendes: "Nach bisherigen Erkenntnissen müsse man wohl von einem Suizid ausgehen." Staatsanwaltschaft und Polizei freilich wollten noch das rechtsmedizinische Gutachten abwarten. Dies liess nicht lange auf sich warten: schon am nächsten Tag, am Sonntag, den 4. Juli, stand offiziell fest: Es war Suizid. (vgl. Tagesspiegel, 4. Juli: Von unnachgiebiger Freundlichkeit) Die übergrosse Eile, mit der die Justizsenatorin inmitten der Fussball-WM-Siegesfeiern zur Pressekonferenz lud, um die schon zuvor in den Medien ventilierte Suizidthese zu bekräftigen, war auffällig, wurde aber in den Zeitungsberichten meist übergangen. Ausnahmen waren Emma, 7. Juli ("befremdlich") und Tagesspiegel, 16. Nov. ("unprofessionell") -- ohne freilich den Verdacht zu äußern, dass die Senatorin als Adressat nicht die Berliner Bevölkerung im Sinn hatte, die den soeben errungenen Fussball-Sieg feierte, auch nicht die erschienenen Journalisten, sondern primär den ebenso eilig zum Fundort der Leiche bestellten Chef der Berliner Rechtsmedizin, Michael Tsokos (vgl. 23. Sept. 2010, Berliner Zeitung / 5. Nov. 2010, Talkshow "Riverboat"). Tsokos nahm noch am Abend des gleichen Tages die Obduktion vor, so dass am Sonntag, den 4. Juli, die Suizidthese offiziell bestätigt werden konnte. Vgl. hierzu auch: * * * * * * * * * * * * * * * * In einigen Medien wurde am 1. Juli berichtet, dass Suchtrupps der Polizei eine Frauenleiche gefunden haben.
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Seit dem 4. Juli 2010 ist in den etablierten Medien einmütig zu lesen und zu hören: "Kirsten Heisig hat sich selbst getötet". Es gab keine genaueren Nachfragen, keine Recherchen investigativer Journalisten (zur Ausnahme Gerhard Wisnewski separat).
Die Reaktion auf eine Anfrage bei der
Vereinigung netzwerk recherche e.V.
Allein, dass die Behörden eine Nachrichtensperre verhängt haben, hätte aufhorchen lassen müssen, jedenfalls jeden Journalisten, insbesondere jeden investigativen. Aber selbst das Faktum der Nachrichtensperre blieb in den Medien unerwähnt, bis ein einzelner Journalist, der o.g. Wisnewski, auf dem Gerichtsweg ihre Lockerung erzwang (s. 19. Nov. 2010). |
5. Juli 2010, 00:01 h "Hallowach": Auf Kirsten Heisigs Spuren im Tegeler Forst - Bericht von einer Ortsbegehung "Hallowach" berichtet von einer Besichtigung des Ortes, wo Kirsten Heisig Presseberichten zufolge gefunden worden war, und über Befragungen von Anwohnern. Der Wald: naturbelassen, kein Wirtschaftswald; Bäume meist gross, glatt, ohne erreichbare Äste, kaum zum Erhängen geeignet; Wald durch ein dichtes Netz von Wegen erschlossen, immer Strassenverkehr in hörbarer Entfernung. Aussagen von Anwohnern (mind. drei): den Fundort können sie nicht genau bezeichnen; manche meinten, Heisig sei doch im nahen Kornfeld gefunden worden, zwei Dreizehnjährige berichteten dasselbe (s.o.: 1. Juli); von der Polizei wurden die befragten Anwohner nicht zur Sache vernommen (etwa, ob sie Heisig, ihr Auto, bemerkt haben, sie dort öfter gejoggt sei, mit Hund oder ohne, etc.); keiner hält es für möglich, dass bei den herrschenden hochsommerlichen Temperaturen Heisigs Leiche dort irgendwo von Montag bis Sonnabend gehangen habe, ohne dass ihre Hunde oder Hunde von Spaziergängern sie nicht sofort erspürt hätten, sogar jeder Anwohner selbst, denn: Vor ein paar Jahren sei dort ein Wildschwein überfahren und der Kadaver nicht sofort entfernt worden - der Gestank in der Gegend sei fürchterlich gewesen. |
6. Juli 2010, Berliner Morgenpost
Keine Trauerfeier, kein Kondolenzbuch für Kirsten Heisig Am 7. Juli 2010 schrieb René Stadtkewitz, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, in einem Ein halbes Jahr später kam Stadtkewitz in einem Interview darauf zurück (siehe 8. Januar 2011): |
6. Juli 2010 Kirsten Heisigs Hund Heisig soll einen Hund gehabt haben, mit dem sie, wie in der Berliner Morgenpost vom 4. Juli 2010 zu lesen, regelmässig in den Wald zum Joggen ging. Gerhard Wisnewski versuchte zu recherchieren, ob sie den Hund etwa am Tag ihres Verschwindens bei sich hatte und was aus ihm geworden ist. Er war auf diese Fährte gekommen, weil ihm, wie er am 16. Juli schreibt, ein Spaziergänger mitgeteilt hat, am 6. Juli in der Nähe der in den Medien genannten Fundstelle der Leiche Heisigs eine interessante Entdeckung gemacht zu haben: erstens eine grosse Plastikplane, die starken Verwesungsgeruch verströmte; zweitens einen in eine weitere Plastikplane dicht verpackten und grossteils eingegrabenen Hundekadaver mit rötlich-braunem Fell. Der Spaziergänger habe die Polizei gerufen, die ihm gesagt habe, dass sie die Kriminalpolizei verständigen werde. Als er am nächsten Tag die gleiche Stelle wieder aufgesucht habe, sei nicht nur die Plane beseitigt gewesen, sondern zudem der Fundort mit schweren Baumstämmen abgedeckt, zu deren Bewegung, auch den Spuren nach zu urteilen, ein mobiles Forsthebezeug eingesetzt worden ist. Wisnewski ging zunächst der Frage nach, ob es stimme, dass Heisig einen Hund gehabt habe. Der o.g. Berliner Stadtverordnete René Stadtkewitz, der mit Heisig befreundet war, bestätigte am 17. Juli die Pressemeldung: "Ja, ich weiß, dass sie einen Hund hatte. Sie erwähnte ihn hin und wieder als ihren persönlichen Schutz, wenn sie allein in Parks oder durch den Wald joggen ging. Dass sie dies regelmässig tat, hat man ihr wohl angesehen. Was aus dem Hund geworden ist und ob sie ihn an diesem Tag dabei hatte, weiß ich nicht." (ebd.) Die meisten verantwortungsbewussten Hundehalter lassen ihren Hund mit einem Chip versehen, damit er im Falle des Entlaufens vom Finder schnell identifiziert und seinem Halter wieder zugeführt werden kann. Die landesweit zentrale Registrierung der Hunde erfolgt bei der Organisation TASSO (www.tasso.net). Ich fragte deshalb dort an und bekam am 26. Okt. 2010 die Auskunft: In einem zusammenfassenden Bericht, den Wisnewski in seinem Buch verheimlicht vertuscht vergessen (Knaur-Taschenbuch Nr. 78399, Januar 2011, S. 220f) gibt, ergänzt er: sein Informant habe sich ein Chip-Lesegerät besorgt, sei am 20. August 2010 noch einmal zu jenem Ort gegangen und habe den - tatsächlich noch vorhandenen - weitgehend eingegrabenen Hundekadaver freigelegt. Dem mittlerweile stark verwesten Tier habe jedoch der Kopf gefehlt, vermutlich mitsamt der Stelle am Hals, an der der Chip meist eingepflanzt wird. Jedenfalls habe das Lesegerät keine Anzeige gegeben. Die Überprüfung dieser Geschichte, die ein entscheidender Ansatzpunkt für die Aufklärung des Todesfalles Heisig sein könnte, war bisher wegen strikter Geheimhaltungspolitik der Staatsanwaltschaft (s. 15. Sept. 2010) und der Polizei (s. 9. März 2011), nicht möglich. Diese Geheimhaltungspolitk aber - und das erscheint mir wichtiger und bezeichnend für diesen Fall - ist nur durchhaltbar, weil "die Öffentlichkeit" von Beginn an vor einer kritischen Prüfung des Falles zurückschreckte und eilfertig die Suizidthese verbreitete, vielleicht ahnend, dass sich sonst die "private Tragödie" als hochpolitischer Skandal erweisen könnte, und zwar einer von der Art, die parteiübergreifend zu vermeiden getrachtet wird. |
7. Juli 2010, EMMA-online: Ein sehr befremdlicher Selbstmord Aus dem nicht gezeichneten Vorspann zu einem Bericht über Kirsten Heisig von Necla Kelek: |
7. Juli 2010, Jürgen Elsässer, in Fortsetzung seines Blogeintrags vom 5. Juli: Tod einer Richterin: Weitere Mordindizien Elsässer nennt kurz einige weitere Punkte, die seiner Meinung nach gegen die Suizidthese sprechen. |
9. Juli 2010![]() Die konservative Wochenzeitung Junge Freiheit, die als eine der ersten am 30. Juni Heisigs Vermisstmeldung brachte, zeigte sich am 4. Juli in einer Online-Meldung Jugendrichterin Kirsten Heisig tot aufgefunden skeptisch: "Mittlerweile steht für die Staatsanwaltschaft fest, dass [sie] sich selbst getötet hat." Und zur Justizsenatorin Gisela von der Aue, die sich "erschüttert gezeigt" habe: "Unklar ist, warum die Politikerin noch vor Bekanntgabe des Obduktionsergebnisses [richtig: vor der Obduktion] verlautbarte, Heisig habe Suizid begangen." Am 9. Juli folgte ein Bericht Selbstmord einer Richterin, der im Titel - und im Untertitel: "...nun nahm sie sich das Leben" - klar die Suizidthese übernimmt. Der Autor Ronald Gläser berichtet jedoch ausführlich darüber, dass und mit welchen Zweifeln in vielen Internetforen dieser These misstraut wird, beteuert dann aber wieder, dass trotz mancher unbeantworteter Fragen "die Fakten doch eindeutig" seien. Die Polizei habe keine Spuren von Fremdeinwirkung gefunden. Und wieder: "Heisig scheint [!] freiwillig aus dem Leben geschieden zu sein." Man war offenbar in der JF-Redaktion nicht wirklich von der amtlichen Version überzeugt. Am 24. Sept. heißt es in einer mit krk [Felix Krautkrämer] gezeichneten Online-Notiz zur postumen Verleihung des Bul le mérite an Heisig distanziert: "Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll die Richterin Selbstmord begangen haben." Diese nach wie vor bestehende Skepsis zeigt sich auch in zwei weiteren Berichten (Online-Notiz vom 16. Nov. und Artikel Wisnewski-Urteil gut für Pressefreiheit vom 26. Nov.) von Ronald Gläser, die zu Wisnewskis Klageerfolg gratulieren. Seine Freude darüber, dass es "künftig leichter sein [werde], Akteneinsicht zu erhalten", war indes voreilig und zerfloss angesichts des faktischen Resultats des OVG-Urteils (siehe 19. Nov. 2010). In der JF-Ausgabe vom 4. März 2011 berichtete Ronald Gläser auf S. 19 von der Pressevorführung des WDR-Films über Kirsten Heisig (siehe 9. März 2011). Die Filmautorinnen hätten sich zwar darüber beklagt, dass ihnen die Polizei jede Auskunft verweigerte, zeigten sich aber trotzdem davon überzeugt, dass Heisig sich selbst getötet hat. Die Fragen der Journalisten indes drehten sich "vorwiegend darum, ob nicht doch Misstrauen gegenüber dieser offiziellen Version angebracht sei." (Von diesem Misstrauen ist jedoch in den meisten Berichten der anderen Journalisten nichts zu spüren). |
10. Juli 2010, FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung, S. 38: Traueranzeige für Kirsten Heisig: "In unserem Gesprächskreis war sie uns eine leidenschaftliche und kluge Partnerin, deren Mut und Engagement wir bewundert haben." |
10. Juli 2010, instock - der börseninformationsdienst: "Niquets Welt" Bernd Niquet : Auf Unstimmigkeiten achten!: Oft schon habe ich mich gefragt, wie es denn eigentlich ablaufen könnte, wenn der Staat einmal einen harten Schnitt macht? Wie gelingt es dann, dass im Vorfeld nichts bekannt wird? Wie schafft man es, dass alle Entscheidungsträger dichthalten? In Berlin hat man in diesem Zusammenhang möglicherweise gerade eine kleine Generalprobe veranstaltet. Und selbst wenn das keine Generalprobe war, so ergeben sich daraus Impressionen, die man sich merken sollte. [ ... ] In Berlin ist also eine ziemlich verhasste Richterin, die am Morgen noch die letzten Änderungen an den Druckfahnen ihres Buches vorgenommen hat, am Abend in den Wald gefahren und hat sich an einem Baum erhängt, was im Übrigen eine typisch männliche Selbstmordart darstellt. Obwohl pädagogisch bestens geschult und täglich im Umgang mit Jugendlichen mit Problemen im Elternhaus, tritt sie aus dem Leben ohne ihren Kindern einen Abschiedbrief mit auf den Lebensweg zu geben. Das alles ist möglich, es ist möglich, dass es so gewesen ist, doch die Wahrscheinlichkeit für so ein Verhalten liegt nahe null. Stutzig macht ebenfalls, dass hier alles bereits im Vorfeld gemeldet wurde, bevor es eigentlich gewusst werden konnte. Und was einem regelrecht Angst einjagt, ist, dass über alle diese Punkte ausschließlich in Internetboards diskutiert wird, jedoch keine einzelne Adresse der etablierten Presse diese Punkte auch nur einmal angesprochen hat. [ ... ] |
19. Juli 2010, DER SPIEGEL Nr. 29/2010, S. 126-129 Kirsten Heisig: Angst ist ein schlechter Ratgeber Einblicke in die Parallelgesellschaft Neuköllns (pdf) Vorabdruck (leicht gekürzt) des Kapitels Typische Intensivtäterkarrieren aus Kirsten Heisigs Buch Das Ende der Geduld, S. 80-99 |
21. Juli 2010![]() Tobias Riegel: Das Ende der Reflexion, S. 10 "unwissenschaftlich", "abenteuerlich", "anmaßend" Dazu der Kommentar einer Leserin vom 21. Juli 2010: Der letzte Satz spricht etwas verschämt einen Zusammenhang an, dessen Bedeutung für die Beurteilung des Falles Heisig selten gesehen wird. Was würde aus den usern ohne ihre dealer? Und wer sind konkret die user aus der "gutbürgerlichen Party-Crowd"? Nur mal rhetorisch gefragt. |
26. Juli 2010, ZDF, heute-journal, 3:05 min Christhard Läpple: Bericht über Kirsten Heisig und ihr Buch Aussage: Kirsten Heisigs Leichnam habe in 5 Meter Höhe an einem Baum gehangen. Die Quelle dieser Information wird in dem Fernsehbericht nicht genannt. Bekannt war durch Photos, z. B. in der Berliner Morgenpost vom 4. Juli, dass die Polizei extra Leitern anforderte, um die Leiche zu bergen. Der Karikaturist Götz Wiedenroth stellte das mögliche Szenario so dar:
In dem von Wisnewski auf dem Gerichtswege erzwungenen Bericht der Generalstaatsanwaltschaft vom 19. Nov. 2010 (s. u.) heißt es, ohne die Anforderung von Leitern zu erklären: Zitate aus dem Filmbericht: O-Ton Heinz Buschkowsky, SPD-Bürgermeister von Neukölln: O-Ton Güner Balci, Autorin ("Arabboy") und Filmemacherin (s.u. 9. März 2011): |
27. Juli 2010, Deutschlandradio Kultur Der Programmleiter des Herder-Verlags, Initiator und Lektor von Kirsten Heisigs Buchprojekt, Dr. Stephan Meyer, im Gespräch mit Ulrike Timm Kirsten Heisigs Buch ist kein "Vermächtnis" [ ... ] Meyer: Ich lese es nicht als Vermächtnis, weil ich glaube dieser Begriff was anderes bedeutet als jetzt naheliegt. Das hätte bedeutet, dass sie dieses Buch sozusagen auf diesen Punkt ihres Abschieds aus ihrem Leben sozusagen hingeschrieben hat. Dafür gibt es für mich jedenfalls keine erkennbaren Anzeichen... Rache aus dem Milieu? Timm: Hat man als Verlag oder hatte auch Kirsten Heisig Angst vor Rache aus dem Milieu? Meyer: Also, als Verlagsmensch kann ich Ihnen sagen, dass ich keine Angst habe ... hier im beschaulichen Freiburg... Juristisch geklärte, stark gekürzte Manuskriptversion Timm: Sie nennt Namen, sie nennt Details. - Rechnen Sie als Verlag eigentlich noch mit rechtlichem Ärger? Meyer: Also, es hat verschiedene Manuskriptversionen gegeben. Die Manuskriptversion, die jetzt in dem Buch nachzulesen ist, ist eine [ |
29. Juli 2010, Christoph Hörstel Warum die Berliner Jugendrichterin Heisig ermordet wurde "Das hanebüchene Verhalten der Berliner Behörden im vermutlichen Mordfall Heisig weist auf ein schlechtes Gewissen dieser Behörden hin. Zu den Gründen dafür muss ein in der Konsequenz ungeheuerlicher Verdacht geäußert werden. |
1. Aug. 2010![]()
In dem libertären Monatsmagazin, das den Anspruch erhebt, "aktuelle Themen aus einer ungewöhnlichen, in den Mainstream-Medien selten oder gar nicht zu findenden Sicht zu kommentieren", erschien - in einem Online-Beitrag, der nicht in die Druckfassung übernommen wurde - der Artikel Näher wurde der Fall Heisig in der Zeitschrift nicht mehr thematisiert. Zwar wunderte sich der Herausgeber André Lichtschlag noch in einem
Kommentar zu einer Maybrit-Illner-Diskussion im ZDF (Thema: "Ausländerangst", anlässlich des Erscheinens von Sarrazins Deutschland schafft sich ab) am 3. Sept.: |
7. Aug. 2010, Neue Zürcher Zeitung Den Tätern Paroli bieten von Joachim Güntner "Vor einem Monat fand man die Leiche der schon als vermisst gemeldeten Richterin im Tegeler Forst. Ihr mutmasslicher Selbstmord gibt vielen Berlinern Rätsel auf..." |
12. Aug. 2010, Die Achse des Guten
"Erselbstmordet" und ...? In diesem "Online-Tagebuch", in dem gut drei Dutzend Stammautoren meist kurze, oft ironisch bissige Texte, Fundstücke oder Lesehinweise veröffentlichen, gab es bis zu diesem Zeitpunkt bereits drei kurze Artikel, die sich mit Heisig befassten: Am 5. Juli schrieb Walter Schmidt, damals noch als Gastautor, eine scharfe Polemik gegen einen am gleichen Tag in der WELT erschienenen Artikel von
Wolfgang Bergmann, Sie war eine Zweiflerin. Er nannte auch das jahrelange Mobbing der Berliner Justizverwaltung gegen Heisig, das andernorts jetzt meist beschwiegen wurde, beim Namen und schloss: Einen noch schärferen Ton schlug der Stammautor Bernd Zeller an. Am 19. Juli schrieb er, dass Heisigs Buch (bis dahin nur aus einem SPIEGEL-Vorabdruck bekannt) künftigen Forschern als Quelle dienen werde, um zu erfahren, "wie es kam, dass sich Gesellschaft und Rechtsstaat vor ein paar Banden von Migrazis unterwarfen." -- Am 25. Juli schrieb er über das Weggucken und Ablenken der Politik: "Aber was ist mit den Hintermännern und Strippenziehern? Gemeint ist das verkommene Pack von nichtsnutzigen Staatsanwälten, Richtern, Politikern, Beauftragten, Edathys, Jugendämtern, Redakteuren, Ströbeles, Wowereits..." -- Und am 27. Juli kommentierte er einen Artikel in der WELT vom 26. Juli, in dem der Autor sich fragt, warum Schwerstkriminalität von Türken und Arabern "relativiert" werde, denn, so sein Titel, Wer Verbrechen totschweigt, schadet den Migranten. Zeller schloss seinen Beitrag wie folgt: "Die Jugendrichter mit ihren Urteilen, die nichts weiter sind als Anstiftung, die Bande von Beauftragten, die Kriminologen im Pfeifferdauerdienst, sie setzen ihr Programm zur hochbezahlten Verantwortungslosigkeit um. * * * * * * * * * * * Die Zitate zeigen, welcher Ton und welcher Jargon in diesem Online-Tagebuch akzeptiert wird; sie zeigen aber auch, in welche sprachlichen Ambiguitäten sich die sonst oft der "political correctness" ätzend spottenden Autoren zurückziehen, wenn sie spüren, dass das Thema politisch wirklich "heiß" ist. Zellers Wortschöpfung "Erselbstmordung" dient dann als ironisch imposant sein sollende Fassade, die vom Aussprechen der hinter ihr verborgenen Alternativen suspendiert: Ist Heisig in den Selbstmord getrieben worden oder wurde sie von professionellen Killern so getötet, dass es den Ermittlern als Selbstmord erscheint - oder gar: erscheinen kann? Schmidts Schlusspassage, die mit "Bezeichnend" beginnt, belässt es bei einem raunenden Andeuten, dass mit der Einhelligkeit der Meinungen "nahezu aller Kommentatoren" zum Selbstmord Heisigs etwas nicht stimmen kann. Im Text schreibt er vom (Frei-)Tod, dann sogar vom "(Frei-)Tod" Heisigs, vermeidet aber ebenfalls klare Worte &?uml;ber seine Vermutungen. Auch später schwieg er über das Thema, obwohl es Anlässe gab, es erneut zu kommentieren (siehe 15. Sept.; 23. Sept.; 19. Nov.). Ich habe die von achgut.com empfohlene Möglichkeit, sich als Gastautor an dem Projekt zu beteiligen, zu nutzen versucht und, anknüpfend an Schmidts Schlusspassage, am 12. Aug. 2010 einen Beitrag
"Das Ende der Geduld" - Wessen Geduld?
mit Bitte um Veröffentlichung eingesandt. |
14. Aug. 2010, Wienerzeitung Todesumstände "immer noch rätselhaft" Ruth Pauli, die am 5. Sept. 2009 in der Wienerzeitung ein längeres Interview mit Kirsten Heisig veröffentlichte, schrieb in einem Artikel "Rechte, Pflichten und Chancen": "In der österreichischen Integrationsdebatte fehlt eine realistische Stimme der Vernunft. In Deutschland ist in diesem Sommer eine solche Stimme verstummt. Die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig ist unter tragischen und immer noch rätselhaften Umständen aus dem Leben geschieden..." |
September 2010, Cicero. Magazin für politische Kultur Christian Pfeiffer: Nicht alle Buben sind so böse Heisigs Thesen fragwürdig, halten wissenschaftlicher Prüfung nicht stand. Der ehemalige SPD-Justizminister von Niedersachsen und jetzige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen liefert eine grundsätzliche Kritik an Kirsten Heisigs "kurz vor ihrem Suizid vollendeten" [sic!] Buch. |
15. Sept. 2010, Neue Zürcher Zeitung
Oberstaatsanwalt Andreas Behm:
Erbe einer Richterin. Berlin-Neukölln gedachte Kirsten Heisigs Der Journalist Joachim Güntner, der am 7. Aug., also lange nach Bekanntgabe und allgemeiner Akzeptanz der offiziellen Suizid-These, als einziger Berichterstatter in der Premium-Presse von einem "mutmasslichen Selbstmord" Kirsten Heisigs geschrieben hatte (Den Tätern Paroli bieten), besuchte am 13. Sept. eine Gedenkveranstaltung für Kirsten Heisig in Berlin-Neukölln. Dort kamen die Umstände des Todes erwartungsgemäss nicht zur Sprache. Güntner ignorierte das Tabu und berichtete in dem Artikel von einem Vieraugengespräch am Rande:
"Die 'arabische' Drogenmafia...
Dass Kirsten Heisig es als Jugendrichterin nicht nur mit Schlägern, Dieben und kleinen Ganoven zu tun hatte, sondern auch mit einem Milieu, in dem es an Geld nicht mangelt, erschließt sich aus Buschkowskys Äußerung im Film von Balci/Graef (s.u. 09.03.2011): |
23. Sept. 2010, Phoenix-TV, 14:45-16:15 Übertragung der Verleihung des "Bul le Mérite", einer Auszeichnung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Da die bereits Ende 2009 bestimmte Preisträgerin Kirsten Heisig inzwischen verstorben war und offenbar weder ein Familienmitglied noch ein Kollege zur Verfügung stand, wurde der Preis von ihrem Lektor, Dr. Stephan Meyer, mit dem sie in der letzten Zeit eng zusammengearbeitet hatte (s.o.: 27. Juli 2010), in Empfang genommen. ![]() Auszüge aus der Laudatio von Heinz Buschkowsky: "Sie war mit mir in Rotterdam, sie war mit mir in London, sie war mit mir in Glasgow, sie war mit mir in Oslo, oder ich mit ihr, je nachdem, und wir haben uns angeschaut, welche Rezepte haben andere kluge Menschen gefunden, aber sie hat erlebt, dass wenn man nur darüber berichten will, wie es andere machen, dass das schon nicht geht, und dass das schon unerwünscht ist." [ ... ] "Sie hat erlebt, wie jemand, der auch ihr enger Begleiter war, der vielleicht sie auch inspiriert hat, ich weiss es nicht, wie er, von einem Tag auf den andern, nicht mehr da war, weil er unbequem war, weil ihn nicht die richterliche Unabhängigkeit schützte [gemeint ist vermutlich der Fall des Staatsanwalts Roman Reusch, übrigens auch Empfänger des "Bul le Mérite" - 2005; zu Reusch s.o., 07.12.2007]. Das hat sie sehr bewegt. Und ... so blieben dann nur wir beide, auch wenn wir hin und wieder ein Telefonat führten mit dem Satz: wenn uns jetzt einer abhört, dann ist es um uns auch geschehen." [Gelächter im Publikum] "Sie hat auch vor 3/4-leeren Sälen gesprochen, weil vorher die Parole ausgegeben wurde: mit dieser Frau redet man nicht. Das hat sie alles weggesteckt." Ihr "Neuköllner Modell", das beschleunigte Verfahren bei bestimmten Fällen der Jugendkriminalität, war eigentlich nur die Anwendung seit langem bestehender Gesetze, die jedoch von den Behörden und Richtern grossteils ignoriert wurden. "Und dass ihr da zu Beginn die Herzen zugeflogen sind, das hört sich heute gut an, war aber nicht so. Das war weiß Gott nicht so. Ich habe daneben gesessen, als sie dafür gescholten wurde, dass das doch alles mehr Befreidigung des Egos ist, und dass man das alles nicht benötigte." "...ihr Buch. Das hat sie bewegt in den letzten Monaten. Und sie war fixiert auf den Tag des Erscheinens, er war festgelegt. Und sie freute sich darauf. Und es war eigentlich völlig klar, dass nach diesem [voraussehbaren] Erfolg sie ihr weiteres berufliches Leben nicht als Richterin am Amtsgericht Tiergarten wird beenden. Das schien mir klar." Wie auch Buschkowsky unter dem Bann der Suizid-These stand, ist an dem gewundenen Satz zu spüren, den er zwischen die beiden letzen Absätze eingeflochten hat: "Es kam dann die Situation, dass sie in einer unglaublichen Durchbruchssituation, in einem unglaublichen mentalen Hoch, so wie ich sie in den letzten Tagen erlebt habe, dann diesen unfassbaren Entschluss fasste. Weil, sie hatte das, was sie die letzten Monate bewegte, abgeschlossen... ihr Buch." [Fortsetzung voriger Absatz] Abschließend vorsichtshalber noch eine etwas verquälte Distanzierung: "Andere Menschen machen sich Luft mit skurrilsten Erklärungen, Verschwörungstheorien. Wer noch nicht ins Netz, ins Internet, geguckt hat, kann das ja mal tun. Teilweise sind die Theorien recht unterhaltend, aber irgendwo brauchen die Menschen auch Ventile, weil viele es nicht fassen können..." * * * * * * * * * * *
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der Kirsten Heisig sehr schätzte und Ende 2009 beschlossen hatte, seine Auszeichnung bul le mérite 2010 an sie zu verleihen und dies dann auch postum tat, hatte zu der entsprechenden Mitteilung auf seiner Website die Möglichkeit zu einer Forumsdiskussion gegeben. Da sie mittlerweile gelöscht ist, hier die Dokumentation, auch wenn die Antwort von Arne Bischoff natürlich nicht als offizielle Stellungnahme des BDK (die es nicht gibt) gelten kann:
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23. Sept. 2010, Berliner Zeitung Zukunft der Rechtsmedizin: Obduktion ohne Skalpell "...Michael Tsokos [der Gutachter im Todesfall Heisig] hofft auf ein entsprechendes Computer-Tomografie-Gerät: 'Der Raum ist schon für 70.000 Euro vorbereitet. Das Gerät kostet 250.000 Euro.' Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD): 'Wir prüfen die Finanzierung.'" Über die enge Zusammenarbeit des obersten Berliner Rechtsmediziners mit den Behörden der Senatsverwaltungen für Justiz sowie für Inneres informieren zahlreiche Artikel der lokalen Presse, die über Suchmaschinen leicht auffindbar sind. Vgl. a. die Website des Vereins der Berliner Polizeireporter. |
27. Sept. 2010, Die Welt: Monika Maron: Kirsten Heisig starb "unter mysteriösen Bedingungen" "Es herrscht immer noch Gedankenfeigheit". Interview zur Sarrazin-Debatte von Andrea Seibel mit Necla Kelek und Monika Maron. Monika Maron, die mit Kirsten Heisig befreundet gewesen ist, formuliert darin einen bemerkenswerten Satz: "Kirsten Heisig musste unter mysteriösen Bedingungen sterben ... um ein Klima zu schaffen, in dem unzensiert gesprochen werden kann." Den Satz kann man nur als performativen Selbstwiderspruch verstehen, denn unter dem Bann der amtlichen und von den Medien unbefragten und einmütig kolportierten Suizid-These führt Maron den Zensurzwang vor. Fehlleistung oder Raffinesse? |
Oktober 2010, Emma [Herbstausgabe] "Aus der Einigkeit von Justiz und Medien muss nun geschlossen werden..." [Red.:] Heisigs Vermächtnis lebt. |
5. Nov. 2010, MDR, Talkshow "Riverboat", 22:00-24:00 h Gute Tatortarbeit erleichtert dem Obduzierenden die Diagnose. Einer der Gäste war Prof. Dr. Michael Tsokos, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Berliner Charité. Tsokos war anwesend, weil er Autor zweier erfolgreicher Bücher ist, in denen er die Aufgaben der Rechtsmedizin populär darstellt. Bei seiner Vorstellung durch den Moderator wurde m.W. erstmals öffentlich bekannt, dass Tsokos Gutachter zum Todesfall Heisig war. Im Gespräch wurde der Fall jedoch nur kurz erwähnt. Nicht mit direktem Bezug darauf, aber assoziativ verknüpft, meinte Tsokos, dass die Arbeit des Rechtsmediziners sehr erleichtert wird, wenn - wie im Fall Heisig? - die Mordkommission zuvor gute Tatortarbeit geleistet hat. Am Tatort im Fall Heisig - man legte hier die bezweifelbare Annahme zugrunde, dass der Auffindeort der Leiche auch der Tatort gewesen sei - waren keine Hinweise auf Fremdeinwirkung als Todesursache gefunden worden. In diesem Zusammenhang sei noch das Zitat eines Beamten erwähnt, das der
Tagesspiegel vom 4. Juli 2010 überlieferte: |
11. Nov. 2010, Die Weltwoche (Zürich), S. 56-59 (59) Frauen, die aufs Ganze gehen, von Dagmar Just (Berlin) Nachdem die Autorin "vier Heldinnen aus 500 Jahren" porträtiert hat, kommt sie auf "eine aus der Gegenwart" zu sprechen: auf Kirsten Heisig und ihren "Kampf gegen die Laisser-faire-Zyniker". "... fand man sie erhängt im Tegeler Forst. Angeblich von eigener Hand, aber die Spekulationen über einen möglichen Mord reissen nicht ab." |
16. Nov. 2010, Der Tagesspiegel (Berlin) Verschwörungstheorien um den Tod von Kirsten Heisig Einzig die Justizsenatorin wirkte unprofessionell. "Schlampigkeit kann man den Behörden wohl nicht vorwerfen. So wurde die Mordkommission an den Fundort gerufen. ... Sogar der Leiter der Berliner Rechtsmedizin, Michael Tsokos, wurde nach Heiligensee gerufen. ... Nur eine wirkte für Beobachter unprofessionell: Ausgerechnet Heisigs Chefin, Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) wartete nicht das Ergebnis der Obduktion ab, sondern verkündete wenige Stunden nach dem Fund der Leiche ihr 'vorläufiges Ergebnis: Suizid' - für Verschwörungstheoretiker ein Indiz mehr." |
18. Nov. 2010, ZEITmagazin, Nr. 47, S. 34-39 Jana Simon: Ihr letztes Urteil Wer es schafft, dieses lifestyle-Magazin bis zur S. 35 durchzublättern, stößt - nach einem längeren Beitrag Der Dackel ist wieder in Mode. Wir haben uns nach den passenden Männerschuhen umgeschaut - auf ein ganzseitiges bearbeitetes Portraitphoto von Kirsten Heisig, das den leicht gruseligen Auftakt zu einem Essay darstellt, der wie folgt beginnt: "Dieses Lächeln. Da ist immer dieses Lächeln. Auf fast jedem Foto - egal ob sie... Stets sieht Kirsten Heisig aus, als müsse sie beweisen, wie gut es ihr gerade geht. Auch wenn ihr übriges Gesicht [sic!] etwas anderes erzählt, tiefe Ringe haben sich unter ihre Augen gegraben, der Blick ist verschleiert..." (für den Rest s. Link) Der in eine denkbar unpassende Umgebung gestellte Text wird auf S. 1 der ZEIT als "Erinnerung" - offenbar an eine erledigte Geschichte - angekündigt. Zugute halten kann man der ZEIT, dass in ihr fünf Wochen später (s. u.: 22. Dez. 2010) ein seriöser Artikel erschien, dessen Autoren zwar mehrfach ein Bekenntnis zur Suizid-These ablegen, aber explizit und zwischen den Zeilen durchaus Bedenkenswertes bringen. |
19. November 2010, Der Generalstaatsanwalt in Berlin übermittelt per Fax an die von Gerhard Wisnewski beauftragte Berliner Kanzlei Raue LLP die laut Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 11. Nov. 2010 die auferlegte Auskunftserteilung in dem Todesermittlungsverfahren Kirsten Heisig Inhalt in Kurzfassung: Zur konkreten Todesursache: Erhängen zu Lebzeiten. Vgl. hierzu den Kommentar eines anonymen Kriminalbeamten vom 8. Dez. 2010, den dieser an Gerhard Wisnewski geschickt hat, der ihn am 10. Januar 2011 veröffentlichte. |
19. Nov. 2010, Pressereaktionen auf den Bericht der Generalstaatsanwaltschaft
Gerhard Wisnewski war wirklich der einzige Journalist, der die Nachrichtensperre der Behörden nicht verschwieg oder, wie manche Kollegen, unter dem von der Justizsenatorin Gisela von der Aue wie eine Parole ausgegebenen Vorwand der Pietät akzeptierte, sondern auf gerichtlichem Weg versuchte, mehr als nur die knappe Auskunft "Suizid" zu erhalten. Seine Kollegen, insbesondere die "investigativen" (s.o. 4. Juli), hätten allen Grund gehabt, nun beschämt zu sein ob ihrer kollektiven Haltung (Leichtgläubigkeit / perfektes ideologisches "embedment"); sie taten aber so, als wären die weiteren Auskünfte überflüssig und jene "Pietät" störend. Entsprechend wird die Sache - die ja eigentlich als längst erledigt gilt, eher beiläufig gemeldet. Als Beispiel sei die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert: Der von Wisnewski auf eigene Kosten erstrittene Bericht der Berliner Generalstaatsanwaltschaft wurde von dieser "aus Gründen der Gleichbehandlung" auch anderen Journalisten zur Verfügung gestellt. (Pressemitteilung PM 53/2010 vom 19.11.2010) Die Frankfurter Allgemeine Zeitung konnte deshalb der Kurzmeldung vom 19. eine weitere am 22. November, S. 27, folgen lassen. Darin heißt es: Tatsächlich erwies sich Wisnewskis erstrittener Erfolg letztlich als ein Pyrrhusssieg. Der Bericht bekräftigte zum einen die Suizidthese durch Detailbeschreibungen (die allerdings kritisierbar sind - siehe den vorigen Eintrag hier); zum anderen wartet er jedoch mit zwei neuen Behauptungen auf, die die Suizidthese nahezu unbezweifelbar machen sollen. War ein Suizid der aktiven, lebenslustigen und erfolgreichen Frau im Zenit ihrer Karriere bisher allenfalls als unerklärliche Kurzschlusshandlung denkbar, so wird in dem Bericht ihr "planvolles Vorgehen" behauptet: Da auch der OVG-Beschluss die Generalstaatsanwaltschaft nicht verpflichtet, eine vollständige Akteneinsicht zuzulassen (vgl. 15. Sept. 2010), werden trotz des Berichts weiterhin Zweifel an der offiziellen Darstellung bestehen bleiben. |
19. Nov. 2010, Legal Tribune Online "Der Fall kann Presserechtsgeschichte schreiben" ![]() ![]() Wie die Formulierung, Heisigs "plötzlicher Tod wurde als Selbstmord deklariert" zeigt, geht die Redaktion der LTO, jedenfalls deren hier gesprächsführende Leiterin Pia Lorenz, nicht davon aus, dass die von den Behörden verlautbarte Version, bei Heisigs Tod sei - durch Mordkommission und Obduktion bestätigt - "keine Fremdeinwirkung festgestellt worden", unhinterfragbar ist. Sie kommt deshalb im Verlauf des teilweise recht interessanten Interviews auch wieder auf diesen Kernpunkt zurück, dass "die Presse nicht recherchieren kann, ob eine Selbsttötung vorlag, weil die Behörden ihr Informationen vorenthalten, weil angeblich eine Selbsttötung vorlag." Da beiße sich die Katze in den Schwanz, denn "die eigentlichen Ermittlungen sollen ja von der Staatsanwaltschaft getätigt werden" -- die die komplette Nachrichtensperre verhängt hat. In diesem Fall ist die komplette Nachrichtensperre schwer verständlich. Der "an sich" auffälligste Punkt an der ganzen Affaire, nämlich, dass die gesamte Presse die komplette Nachrichtensperre stillschweigend akzeptiert hat und nur ein einziger "freier" Journalist dagegen vorging, blieb in diesem sich auf das Juristische beschränkenden Gespräch unerwähnt. Das Interview fand vor Bekanntwerden des Inhalts des Berichts der Generalstaatsanwaltschaft statt. Danach wurde der Fall Heisig in der LTO nicht mehr thematisiert. |
20. November 2010, Berliner Zeitung Bericht über die Neuköllner Jugendrichterin Dietlind Biesterfeld "Eine dankbare und schöne Aufgabe" von Sabine Deckwerth ...Neukölln. Dietlind Biesterfeld "ist für diesen Bezirk zuständig. Ebenso, wie es Jugendrichterin Kirsten Heisig war, die sich im Juli das Leben nahm. Von steigender Jugendgewalt hat Heisig in ihrem Buch Das Ende der Geduld geschrieben. Von Raubüberfällen, Vergewaltigungen und kriminellen Großfamilien, die den Alltag bestimmen. Von hilflosen Behörden und überlasteten Jugendrichtern. |
5. Dez. 2010, Transatlantic Forum Berliner Taxifahrt, von Heinz Eggert Der ehemalige CDU-Staatsminister des Innern von Sachsen kleidete seine Einschätzung des Todesfalls Kirsten Heisig in eine Geschichte: "[ ... ] In der letzten Woche fuhr mich ein sympathischer älterer Deutsch-Iraker, der schon 19 Jahre in Berlin wohnt. Neben ihm lag aufgeschlagen das Buch der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig, die sich mit der Kriminalität jugendlicher Migranten in Berlin auseinandersetzte und sich vor Monaten selbst das Leben genommen haben soll. Diese These glaubte mein Fahrer nicht. Er und seine Familie seien der Meinung, dass diese engagierte Frau umgebracht worden sein solle. Um diese These zu untermauern, erzählte er mir, dass er vor Monaten von zwei Jugendlichen überfallen worden sei... er wisse ganz genau wer sie wären... [Mitglieder einer arabischen Grossfamilie, die] an jedem Rache nahm, der eine Straftat zur Anzeige brachte. Der Taxifahrer hatte lange darüber nachgedacht und sich mit seiner Frau und den älteren Söhnen besprochen. Sie rieten ihm dringend von einer Anzeige ab, damit er sich und sie nicht in Gefahr brächte. Man merkte es diesem stolzen Mann sehr an, wie schwer für ihn die Entscheidung war. Immerhin war er sehr froh, dass er und seine Familie - nach der Flucht aus dem Irak - jetzt in einem Rechtsstaat leben durften.... Er hatte auch mit einem Richter, der der bei ihm oft Fahrgast ist, darüber gesprochen. Als Richter hatte er ihm geraten, die Täter anzuzeigen, um ihm im gleichen Atemzug wieder davon abzuraten, weil er die Reaktionen darauf? und die Folgen solcher Anzeigen kannte. So wurde langsam die Frage des Taxifahrers zu meiner eigenen. Wenn in einem Rechtsstaat Recht bleiben soll, dann darf man doch nicht hinnehmen, dass andere einschüchternde Angstbarrieren errichten, die geltendes Recht blockieren. Oder?" |
22. Dez. 2010, DIE ZEIT, S. 4 Das Ende der Ungeduld. Eine Spurensuche, von Christian Denso und Heinrich Wefing SPD-Justizsenatorin Gisela von der Aue, noch immer wortkarg: "aus Rücksicht auf die Familie der Toten". (vgl. 09.03.3011: Polizei verweigert nach wie vor Auskunft) Politiker, sagt sie, haben Kirsten Heisigs Themen gemieden, "weil sich keiner den Vorwurf machen lassen wollte, ausländerfeindlich zu sein." Fazit Denso/Wefing: "Langsam fällt das System zurück in den alten Trott. Die Antreiberin ist tot." (vgl. unten, 01.04.2011: Bayern beginnt, das "Neuköllner Modell" einzusetzen) Ein halbes Jahr nach Kirsten Heisigs Tod fragen die Autoren: "Was wird aus den Vorschlägen, die sie gemacht hat? Wer kümmert sich um ihr Erbe? Wie reagiert ein System, das von einer einzelnen Amtsrichterin herausgefordert wird, auf eine solche Provokation?" Ignorieren, das geht nicht, dazu sind 350000 Exemplare zu viel. Also reagiert das System, indem es Kirsten Heisig umarmt." [ ... ] "Kirsten Heisig ist mittlerweile fast so etwas wie eine Heldin. Eine tote Heldin. Das macht es fast unmöglich, sie zu kritisieren. In Berlin tut das niemand mehr. Niemand schimpft sie mehr eine Rassistin, nennt sie impertinent, ehrgeizig, mediensüchtig, zumindest nicht öffentlich. Alle loben Kirsten Heisig jetzt für das "Neuköllner Modell", auch die Senatorin [der Justiz, Gisela von der Aue, SPD]." Die Autoren bemühten sich um ein Gespräch mit ihr. "Es dauert eine Weile, bis die Berliner Justizsenatorin zu einem Gespräch über Kirsten Heisig bereit ist. Gisela von der Aue wolle das Thema ruhen lassen, heißt es, aus Rücksicht auf die Familie der Toten. Aber dann nimmt sie sich doch eine Stunde. Die Senatorin ist in einer schwierigen Situation. Politisch trägt sie in der Stadt die Verantwortung für die Justiz, die Heisig so deutlich kritisiert hat. Und seit Jahren schon gibt es Gerüchte, die Richterin sei der SPD-Politikerin lästig gewesen, sei ihr zu forsch und selbstbewusst aufgetreten. Ja, sagt von der Aue, anfangs 'war ich etwas irritiert über das öffentliche Auftreten von Kirsten Heisig, sie hat mir gar keine Chance gegeben, sie zu unterstützen'." Kirsten Heisig, sagt von der Aue, habe 'gezeigt, dass durch persönliches Engagement unheimlich viel bewegt werden kann.' "Aber es ist schon merkwürdig", fragen die Autoren: "Warum braucht es eine Jugendrichterin, um so etwas wie das Neuköllner Modell zu erfinden? Warum muss eine Einzelkämpferin der Justiz vorführen, welche Möglichkeiten das Gesetz bietet? Die Justizsenatorin braucht eine Weile, um die Frage zu beantworten. Sie spricht von dem Dialog, der immer nötig sei zwischen Politik und Praxis, von den vielen Gedanken, die man sich auch in ihrer Behörde gemacht habe. Sie räumt sogar ein, dass Kirsten Heisig 'Themen angesprochen hat, die von manchen Politikern lange gemieden wurden. Weil sich keiner den Vorwurf machen lassen wollte, ausländerfeindlich zu sein.' Aber dann sagt sie auch: 'Ein derartiges Modell von oben, von der Spitze der Behörde her, einzuführen ist viel schwieriger, als wenn das jemand tut, der in der Praxis steht. Hätte ich solche Vorschläge gemacht, wäre ich schnell in den Verdacht geraten, in die Unabhängigkeit der Richter eingreifen zu wollen.' Es ist eine erstaunliche Antwort. Sie bedeutet in letzter Konsequenz, dass die Politik, dass eine Senatorin nichts verändern kann. Dass es Menschen wie Kirsten Heisig braucht, um Reformen in Gang zu setzen. Und sie besagt, dass es ohne solche Menschen kaum vorangeht." "Wer setzt ihr Werk heute fort?" fragen die Autoren den Jugendrichter Stephan Kuperion, den engsten Mitstreiter Kirsten Heisigs. "Kuperion zuckt mit den Achseln." [ ... ] "Langsam, so scheint es, fällt das System zurück in den alten Trott. Die Antreiberin ist tot." Nicht nur das: "Nächstes Jahr wird es in Berlin vier Jugendrichter weniger geben. Vier von 38. Die Stellen werden dem Familiengericht zugeschlagen." Begründet wird das mit dem Rückgang der Jugendkriminalität. |
30. Dezember 2010, DIE WELT Härte hilft, von Freia Peters "Im brandenburgischen Bernau verteidigt der Jugendrichter Andreas Müller das Erbe der verstorbenen Berliner Richterin Kirsten Heisig. Seine strengen Urteile zeigen Wirkung: Die Kriminalität sinkt. [ ... ] Müllers entschlossener Kampf gegen Rechtsextremismus war parteiübergreifend erwünscht. Kirsten Heisig jedoch hatte in Berlin-Neukölln vor allem mit kriminellen Migranten zu tun. * Heisig kritisierte Kollegen und Jugendämter für ihren laxen Umgang mit auffälligen arabischen und türkischen Familien. In einem zähen, über mehrere Jahre andauerndem Kampf für die Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht hatte die Richterin für die Einführung des sogenannten Neuköllner Modells gesorgt. [ ... ] [Müller:] 'Normalerweise wäre das die Aufgabe der politisch Verantwortlichen: der Innen- und Justizminister von Bund und Ländern, der Polizeipräsidenten, der Leitenden Oberstaatsanwälte.'" ** Erkennbar ist, dass an den markierten Stellen die Autorin bzw. der zitierte Jugendrichter Andreas Müller etwas unterdrückt bzw. nur indirekt gesagt hat: Vgl. hierzu die Reaktion der DVJJ vom 4. Januar 2011 (s.u.) |
31. Dezember 2010: In den zahlreichen Jahresrückblicken, die in den meisten Medien in den beiden letzten Wochen erschienen, wurde Kirsten Heisig trotz ihrer Prominenz als Bestsellerautorin und Anregerin einer politischen Debatte nur kurz, oft auch gar nicht, erwähnt. |
4. Januar 2011: Pressemitteilung der DVJJ - Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V., die den Artikel Härte hilft in der WELT vom 30. Dezember 2010 (s.o.) kommentiert: In dem genannten Artikel (und einem weiteren auf web.de: Schluss mit der Kuschelpädagogik) würden "die Vorstellungen des Bernauer Jugendrichters Andreas Müller vorgestellt, der sich offenbar nach dem Tod von Kirsten Heisig als Verteidiger ihres Erbes" verstehe. Nach einer Rechtfertigung der eigenen Vorstellungen des DVJJ, die der gängigen, von Heisig, Müller und anderen kritisierten Praxis entsprechen, folgt, auf diese beiden gemünzt: "Einzelne Akteure des Systems sollten sich keinen Allmachtsphantasien hingeben: Es braucht viele und Vieles, um die Jugendkriminalität zu senken, Besonnenheit ist dabei ein guter Ratgeber, Strafe eine notwendige ultima ratio. Den strafenden Richter in das Zentrum des Jugendstrafverfahrens zu stellen, widerspricht dem Gesetz und der Vernunft. Aus gutem Grund ist das Gesetz auf Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Justiz angelegt, auf den Vorrang informeller Erledigungsformen, auf, ja auch auf Geduld, um den Titel des Buches von Frau Heisig 'Das Ende der Geduld' aufzugreifen. Wer am Ende seiner Geduld ist mit jungen Menschen, ist in einem Beruf, der ihn mit schwierigen jungen Menschen konfrontiert, am falschen Platz." Vgl. dazu die Äusserungen Christian Pfeiffers, der dominierenden Figur der DVJJ, in seinem Artikel im Septemberheft 2010 von Cicero (s.o.) Andreas Müller berichtet in seinem Buch Schluss mit der Sozialromantik! Ein Jugendrichter zieht Bilanz (Herder, Freiburg/Br. 2013, S. 206-213), über diesen "Versuch, Kirsten Heisig und auch mich persönlich zu denunzieren." |
8. Januar 2011 Fall Kirsten Heisig. René Stadtkewitz im Interview mit Torben Grombery. Anlass des Interviews war ein Bericht im SPIEGEL vom 3. Januar 2011 ("Der deutsche Geert", S. 44-51), in dem der ehemalige Berliner CDU-Abgeordnete und Gründer der Partei Die Freiheit berichtete, er sei mit Kirsten Heisig einig gewesen, dass sie beide die neue Partei aufbauen: "Sie sollte das Gesicht werden, ich der Organisator." Kirsten Heisig und die Partei Die Freiheit. Todesumstände? Stadtkewitz rudert zurück. |
Februar 2011, Die Polizei (Fachzeitschrift) "...eines nicht natürlichen Todes gestorben..." Werner Sohn von der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden beginnt einen Artikel - eine Replik auf Christian Pfeiffers Attacke auf Kirsten Heisig (Cicero, Sept. 2010, s.o.) - mit den Worten: "Das Buch der im Juni 2010 eines nicht natürlichen Todes gestorbenen Jugendrichterin Heisig..." (Kirsten Heisigs "falsche Botschaft". In: Die Polizei. Fachzeitschrift für die öffentliche Sicherheit, Heft 2/2011, S. 57-61). Die etwas ungelenke, offenbar aber sorgfältig abgewogene Formulierung liest sich, als sei sie einer durch das amtliche Verdikt geknebelten Skepsis des Autors gegenüber der Suizid-These geschuldet. |
8. März 2011, Der Tagesspiegel (Berlin) Kerstin Decker: Mauer aus Glas "Alle glaubten an einen Racheakt" (aber keiner wagte dies öffentlich auch nur anzudeuten, geschweige denn, die nach der amtlichen Feststellung eines Suizids verhängte Nachrichtensperre auch nur zu benennen, geschweige denn ihre Aufhebung zu fordern - außer Gerhard Wisnewski) Kerstin Decker, Philosophin, Schriftstellerin und eine der "Kulturjournalistinnen des Jahres 2010", schreibt: "Als sie [Heisig] plötzlich im letzten Sommer unauffindbar war und alle -- ja, sagen wir ruhig 'alle' -- an einen Racheakt derer glaubten, denen sie so unbequem war..." Wer aber sind die, denen sie "unbequem" war? Cui bono? Vgl. dazu Güner Balci am 09.03.2011, Süddeutsche Zeitung, s.u.: "Als sie [Heisig] verschwunden war, dachte ich: Die tut sich was an. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass Jugendliche sich an ihr rächen wollten oder so." |
9. März 2011 Im ersten Programm ARD, 22:45-23:30 h, lief der Film von Güner Balci und Nicola Graef, "Tod einer Richterin. Auf den Spuren von Kirsten Heisig". Die ARD gab das Manuskript zum Film mit der Transkription sämtlicher Wortbeiträge heraus.
Der Film wurde danach von mehreren ARD-Sendern ausgestrahlt Der am 26. Januar 2011 angekündigte Film wurde am 27. Februar 2011 im ARD-Hauptstadtstudio vorab für Journalisten gezeigt und vor der Ausstrahlung in mehreren Zeitungen besprochen. Zweifler an der Suizid-These unerwünscht Das Konzept des Films vermeidet eine Problematisierung des Todesfalls und setzt den Suizid als erwiesen voraus. Der Journalist Ronald Gläser, der die Pressevorführung besuchte, zitiert die dort anwesende Leiterin der Redaktion "Menschen hautnah" beim WDR, Ulrike Schweitzer, die, angesprochen auf die Suizid-These, sagte: "Es war von der Redaktion her wichtig, dass niemand Zweifel äußert." (Junge Freiheit, 4. März 2011, S. 19). Da stellt sich die Frage, ob dies ein Grund war, weshalb einige Personen in dem Film nicht mitwirkten: etwa der Ehemann Kirsten Heisigs, ihre beiden Töchter, der Jugendrichter Stephan Kuperion, dem sie in ihrem Buch (S. 204) als "Freund [der] mir in schwierigsten Zeiten beigestanden" habe, dankt, oder der Initiator und Lektor ihres Buches, Stephan Meyer, der zuletzt eng mit ihr zusammengearbeitet und an ihrer Stelle den postum verliehenen Orden Bul le Mérite entgegengenommen hat. Polizei verweigert nach wie vor Auskunft "Wir haben über Suizid gesprochen, über Tabletten nehmen..." Dieser Satz, der Schlusssatz des Films, sozusagen sein Fazit, kommt aus dem Munde von Andreas Müller, einem befreundeten Richterkollegen von Kirsten Heisig. Müller hatte sich vorher mehrmals in Zeitungen zum Fall Heisig geäußert, dies aber nie erwähnt. War diese neue "Erinnerung" möglicherweise das Ergebnis eines langen Ringens um eine Reduktion kognitiver Dissonanz (Leon Festinger) ? In einem früheren Interview, in dem auch Persönliches angesprochen wurde ("uns war sofort klar, wir sind seelenverwandt"), war von einer Suizidalität Kirsten Heisigs auch nicht andeutungsweise die Rede. (Die Welt, 30.12.2010: Härte hilft) Ein ähnlicher psychischer Prozess könnte den neuen "Erinnerungen" der Filmautorin Güner Balci zugrunde liegen, die sie ebenfalls erst mit grosser Verzögerung in einem Interview der Öffentlichkeit bekannt gab. Filmautorin Güner Balci über die Person Kirsten Heisig ------------------------------------------------ 9. März 2011, Süddeutsche Zeitung |
1. April 2011, Süddeutsche Zeitung (dpa) Bayern übernimmt "Neuköllner Modell". Merk will raschere Strafen für Jugendliche Nach einer Probephase in Bamberg wird ab 1. April 2011 das beschleunigte Jugendstrafverfahren "auf die Staatsanwaltschaften Ansbach, Ingolstadt, München II und Würzburg ausgeweitet." Vgl. dazu den Bericht vom 22. Dezember 2010 aus Berlin, s.o.: |
10. April 2011, Die Welt Anwendung des "Neuköllner Modells"? "Man drückt sich." "Die Nationalität der Täter sollte erfasst werden." Jansen: "Wir haben nun alle Justizministerien der Länder angeschrieben, weil wir wissen wollten: Wie häufig wird das genutzt? Wir haben nur sehr spärliche und hinhaltende Rückmeldungen bekommen. Man drückt sich. |
29. April 2011, Frankfurter Allgemeine Zeitung Regina Mönch: Eben mal einen Tritt vor den Kopf Regina Mönch, eine Mitunterzeichnerin der Traueranzeige für Heisig in der FAZ (s. 10. Juli 2010), schrieb in einem Bericht über einen aktuellen skandalträchtigen Fall von Täterschonung durch die Berliner Justiz folgende denkwürdige Sätze: |
3. Mai 2011, Mitteldeutsche Zeitung [TV-Richterin] Barbara Salesch feiert ihre 2'000. Sendung von Tatjana Schäfer TV-Richterin Barbara Salesch: Bewunderung für Jugendrichterin Heisig |
28. Juni 2011: Jahrestag des Todes von Kirsten Heisig
Der Jahrestag war Anlass für eine Reihe von Artikeln. Heinz Buschkowsky, der Bürgermeister von Neukölln, der Heisig aus jahrelanger enger Zusammenarbeit gut kannte (siehe oben: 15., 23. Sept. 2010), veröffentlichte auf seiner Homepage einen Gedenkartikel:
"Sie fühlte sich manchmal recht einsam", der etwas modifiziert in einigen Blättern nachgedruckt wurde. Er wäre in seiner Ambivalenz sorgfältig zu analysieren. Eine Passage sei hier zitiert: Buschkowsky schloss seinen Beitrag mit dem Satz: "Irgendwann sollte man dieser außergewöhnlichen Person ein kleines Denkmal setzen. Und sei es nur das Namensschild für einen Platz oder eine Straße." In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6. Juli 2011 geht Regina Mönch auf dieses Thema ein und ruft nebenbei oft Vergessenes ins Gedächtnis: "Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue, die Heisig zu Lebzeiten als Störenfriedin empfand und auch so behandelte, reagierte sogleich und wie erwartet mit einer verschwurbelten Stellungnahme..." Es gäbe aber Menschen, die Heisigs Andenken durchaus sichtbar bewahren wollten, gegen "jene Welt der Ämterbürokraten und Schönredner, die mit ihrer Rechenkunst glauben machen wollen, die Lage habe sich beruhigt." Sie regt deshalb an (wie auch Monika Maron, die im Tagesspiegel vom 3. Juli 2011 zitiert wird), um "den falschen Frieden ihrer [Heisigs] Feinde nachhaltiger zu stören", dass "man sich einmal im Jahr zu einem Symposion zusammenfände. Dort wäre über Heisig-Themen zu streiten, etwa über die Ursachen für immer brutalere Übergriffe im öffentlichen Raum, über borniertes Ressortdenken, das die Rettung gefährdeter Jugendlicher verhindert, oder den ausgeprägten Deutschenhass junger Migranten, der im schlimmsten Fall das Leben willkürlich ausgewählter Opfer gefährdet." Wenn ausnahmsweise in einem der Artikel die Frage der Umstände von Heisigs Tod angesprochen wird, steht dies nach wie vor unter dem Bann - dem von den Medien erstaunlich willfährig akzeptierten Bann -, der mit der ersten behördlichen Mitteilung, dass Heisig vermisst werde, verfügt wurde: es sei "keine Straftat" zu erwarten. Die Berichterstattung während der fünftägigen Suche nach der Vermissten stimmte das Publikum auf "Suizid" ein; der wurde dann auch amtlich bestätigt und, nachdem die Justizsenatorin die Presse nachdrücklich an Pietätspflichten erinnert hatte, weder angezweifelt noch nach Motiven befragt. Auch Werner Becker deutet in einem Beitrag, in der Heisig nur am Rande erwähnt wird, seine Skepsis gegenüber der offiziellen Suizidthese nur vorsichtig an, wenn er formuliert, Heisig habe einen "mysteriösen Tod" gehabt, sei vor einem Jahr "tot aufgefunden worden". (Junge Freiheit, 11. Juli 2011, S. 1) Auf der Netzseite der von René Stadtkewitz gegründeten Partei DIE FREIHEIT erschien am 3. Juli 2011 der Beitrag |
12. Juli 2011, Partei DIE FREIHEIT, Netzseite 465 Verfahren gegen jugendliche Drogensüchtige - aber kaum Verurteilungen "Zwischen dem 1. Dezember 2010 und Ende Mai 2011 wurden wegen Drogendelikten insgesamt 465 Verfahren gegen Jugendliche und 49 gegen Kinder unter 14 Jahren eingeleitet. Das teilte Justizsenatorin von der Aue auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten René Stadtkewitz, 46, mit. Allerdings wurden nur sieben der Jugendlichen verurteilt. In nur sechs Verfahren wurde die Durchführung nach dem Kirsten-Heisig-Modell beantragt. [Hervorh. Ref.] Überhaupt führten nur 23 der 465 Verfahren zu einer öffentlichen Anklage vor einem Jugendrichter. |
23. August 2011, Berliner Morgenpost Eine Jugend hinter Gittern, von Jens Anker Jugendgewalt "rückläufig ... stark rückläufig ... noch stärker rückläufig" - seit 2009. Um Kirsten Heisig und die von ihr aufgeworfenen Probleme ist es still geworden. Aber anlässlich spektakulärer Fälle von Jugendgewalt in Berlin bringen die lokalen Blätter natürlich immer wieder Berichte, in denen dann, wie hier, die "verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig" am Rande auch erwähnt wird. Wenn im Artikel lang und breit ausgeführt wird, dass die Jugendgewalt seit 2009 rückläufig sei, kann sich jeder denken, was von dem Ende Juli 2010 erschienenen Alarmruf Kirsten Heisigs zu halten ist. Diese sanfte und gerade deswegen wirksame Diffamierung begann, nach einer "Pietätsfrist" wegen des tragischen Todes, im September 2010 (siehe oben) mit einem Artikel des in allen Medien präsenten Kriminologen Christian Pfeiffer in der Zeitschrift Cicero, gestützt auf diverse Statistiken. Den Tenor dieses Artikels, zu dem gehört, dass der "Migrationshintergrund" von Tätern außer Acht gelassen oder bagatellisiert wird, findet man in zahlreichen seither erschienenen Artikeln in allen Berliner Zeitungen. Im obigen Artikel liest sich das so: "Es sind diese [spektakulären] Fälle von Jugendkriminalität, die die Menschen in Berlin verunsichern. Und wieder Angst machen. Kann man überhaupt noch am Abend oder nachts U- und S-Bahn fahren? Ist das nicht viel zu gefährlich geworden? Immer brutaler, immer rücksichtsloser gingen die jungen Straftäter vor, heißt es. Polizei und Justiz seien im Kampf gegen Jugendkriminalität machtlos, und immer weniger in der Lage, die innere Sicherheit auf Berlins Straßen und in den U- oder S-Bahnen zu gewährleisten. Ist das soziale Gefüge in der Stadt also in Gefahr? Susanne Bauer kann das so nicht bestätigen. Die Präventionsbeauftragte der Berliner Polizei breitet in ihrem Büro am Flughafen Tempelhof mehrere Tabellen vor sich aus. "Die Zahl der Straftaten geht seit 2009 zum Teil stark zurück", sagt sie. "Auch die Zahl der Tatverdächtigen ist rückläufig." Aber werden die jugendlichen Straftäter nicht immer brutaler? ... "Auch das geben die Zahlen nicht her", sagt Susanne Bauer. ... Auch die Jugendgruppengewalt ist in Berlin rückläufig. ... Noch stärker rückläufig - um 23,5 Prozent auf 1618 Fälle - war die Anzahl von Raubdelikten. Susanne Bauer hat im Lauf der Jahre eine weitere Beobachtung gemacht: Sind die Täter erst Anfang 20 und haben eine Freundin, hören die allermeisten mit den Straftaten auf." Diese Mentalität, die sich in einer Strategie des Zuwartens mit dem Motto "Milde zahlt sich aus" ausprägt und erst bei sogenannten Intensivtätern, "nachdem nichts anderes geholfen hat", empfindlichere Gefängnisstrafen verhängt, scheint noch immer vorzuherrschen (siehe Kritik des Kriminalisten Werner Sohn an Pfeiffer, oben, Sept. 2010). |
24. August 2011 Kirsten Heisig wäre heute 50 Jahre alt geworden. Dieser Tag wurde in den Berliner Medien nicht zum Anlass genommen, an Kirsten Heisigs Wirken zu erinnern oder eine (Zwischen-)Bilanz zu den Ergebnissen des mit ihrem Namen verbundenen "Neuköllner Modells" zu ziehen. Wie schon bei dem Vorschlag, ein Kondolenzbuch für sie auszulegen (siehe oben, 6. Juli 2010), blieb der Abgeordnete René Stadtkewitz auch diesmal der Einzige, der ein öffentliches Gedenken an Kirsten Heisig für geboten hielt. Auf der Netzseite der Partei DIE FREIHEIT erschien folgende Mitteilung:
Stadtkewitz: "Wir dürfen Kirsten Heisig nicht vergessen." In einem bei www.youtube.com aufrufbaren Video sagt Stadtkewitz, dass man die Kranzniederlegung im Foyer des Gerichtsgebäudes untersagt habe, sie deshalb auf der Straße vor dem Gebäude erfolgte. |
3. September 2011, BZ - News aus Berlin Heisigs Erbe wird leise zerschlagen Bewahrt das Erbe von Kirsten Heisig!" Kommentar von Uwe Steinschek "... Zum Heisig-Prinzip gehörte auch das Team der Jugendgerichtshilfe. Das soll jetzt umstrukturiert, die Kompetenz auf verschiedene Ämter verteilt werden. So weit darf es aber nicht kommen! Weder aus finanziellen noch aus anderen Gründen." 3. September 2011, Stern-online |
5. September 2011, Der Tagesspiegel (Berlin) "[ ... ] |
15. November 2011 "Mittlerweile gehen auch die Staatsanwälte in Norderstedt und Bamberg nach dem Berliner Muster vor. Allerdings vermisst Falko Lieke, der CDU-Jugendstadtrat von Berlin-Neukölln, in seiner eigenen Stadt den Heisig-Effekt: |
22. November 2011, Der Tagesspiegel (Berlin) "[ ... ] |
10. Mai 2012, Pressemitteilung des WDR: Zu diesem Film siehe oben, 9. März 2011. Zitate: "Es war von der Redaktion her wichtig, dass niemand Zweifel [an der Suizid-These] äußert." "Erstaunt bis empört kritisierten sie [die Autorinnen] die Berliner Polizei. Trotz zahlreicher Interviewanfragen über Monate hinweg habe die Polizei abgeblockt und Terminschwierigkeiten vorgeschoben." Im Begleittext fehlt jeder Hinweis auf diese massiven Beschränkungen, unter denen der Film entstand. Stattdessen wird die offizielle Darstellung wiederholt, die auch die Medien von Anfang an ohne kritische Nachfrage -- kolportierten: "Plötzlich war sie verschwunden, von Entführung und Mord wurde gemunkelt. Als man ihre Leiche fand, lautete das Obduktionsergebnis: Eindeutig Suizid." |
26. Juli 2012, Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Das Praktikum des Rappers Bushido im Büro des Baden-Württemberger Bundestagsabgeordneten Christian von Stetten (CDU) hat den Blick auf ein besonderes Milieu gelenkt: das der türkisch-kurdisch-libanesischen Clans. Mit dem unter Jugendlichen berühmten Bushido zeigen sich die Politiker gerne, ob von Stetten, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) oder Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Mit den Halbwelt-Typen aus seinem Bekanntenkreis würden dieselben Politiker jedoch nicht gerne posieren. Der insgesamt ambivalente Artikel schließt mit einem merkwürdig gewundenen Absatz: "Als die populäre Jugendrichterin Kirsten Heisig vor zwei Jahren vermisst wurde, wurde zunächst vermutet, einer ihrer 'Kunden', ein durchgeknallter Jugendlicher, habe sie entführt. Die Leser ihres Bestsellers 'Das Ende der Geduld' lernen etliche Figuren aus dem kriminellen Neuköllner Milieu kennen. Doch Frau Heisig war nicht entführt worden; sie hatte sich das Leben genommen. Aus bisher ungeklärten Gründen sinkt die Jugendkriminalität, deren Bekämpfung sie sich leidenschaftlich widmete, über den demographischen Trend hinaus. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Jugendabteilung verkleinert, die Zahl der Jugendrichter wurde verringert - sogar die Belegung der Jugendstrafanstalten ging zurück." Allerdings wurde, als Kirsten Heisig vermisst wurde, allenthalben das Nächstliegende vermutet: dass die Richterin von professionellen Killern jener Clans entführt und ermordet wurde; denn sie hatte nicht nur mit Kleinkriminellen zu tun, sondern störte offenbar massiv eine Szene, in der Kriminalität und öffentliche Reputiertheit eine Symbiose bilden (s. oben 15. Sept. 2010, Zitat Buschkowsky: "Sie kannte auch alle Schliche der bestbezahlten Anwälte der Stadt"). Der Vorschlag, in Richtung 'arabische Clans' zu ermitteln, konnte obendrein aus Gründen unserer kläglichen Staatsraison nicht laut werden. Das konnte und kann man aber nur außerhalb der etablierten Medien lesen, in Blogs und Internetforen. Jeder wusste, wie gefährdet Heisig war. Polizei, Politik (voran die Justizsenatorin) und Behörden verkündeten jedoch so eindringlich wie stereotyp und kurz angebunden: "Wir haben keinen Hinweis auf ein Verbrechen." Und genau dies verkündete auch unisono (die wenigen Ausnahmen sind hier dokumentiert) die Presse; bald auch das Ergebnis, auf die dies von Beginn an hinauslief: Suizid. Die totale Nachrichtensperre akzeptierte die Presse, ohne sie auch nur zu nennen. |
Anfang September 2013: Erscheinen des Buches von Andreas Müller: Schluss mit der Sozialromantik ! Ein Jugendrichter zieht Bilanz, Herder, Freiburg/Br. Ein Kapitel darin, S. 182-202, ist Kirsten Heisig gewidmet, die Müller eine "Jeanne d'Arc des gesunden Rechtsempfindens" (195) nennt. Müller kannte die Kollegin Heisig seit 2001, zunächst nur flüchtig, seit etwa 2008 näher, obwohl beide an unterschiedlichen Amtsgerichten wirkten: er in Bernau bei Berlin, sie zuletzt in Neukölln. Müller erkannte, "warum man Kirsten besonders große Steine in den Weg legte: Das zentrale Problem bei Kirstens Arbeit war die Herkunft der Jugendlichen, mit denen Kirsten hauptsächlich zu tun hatte. Hatten mich alle gelobt und bewundert, weil ich mit harten und schnellen Urteilen und konsequentem Vorgehen den rechtsradikalen Schlägern Einhalt gebot, so erfuhr Kirsten für eine ganz ähnliche Handlungsweise und die gleichen Grundgedanken massive Kritik, weil sie es mit Jugendlichen aus Migrantenfamilien zu tun hatte und somit nicht 'politisch korrekt' handelte." (192) Müller erkannte offenbar nicht, dass das Lob, das er in seinem energischen "Kampf gegen rechts" von allen Seiten geerntet hatte, ebenfalls der "political correctness" zu verdanken war, dieser Ideologie einer "amerikanisierten", seit Jahrzehnten perspektivlosen "Linken", der sich das gesamte Spektrum der Bundestagsparteien, die meinungsbildenden Medien und der "mainstream" der Sozialwissenschaften verpflichtet fühlen - und freilich auch die DVJJ mit ihrer dominanten Figur Christian Pfeiffer, den Müller in seinem Buch mehrfach angreift. Müllers unreflektierte Sicht der "political correctness" prägt sein ganzes Buch, wobei hier nur auf seine Darstellung der Umstände von Heisigs Tod eingegangen werden soll. Er selbst war noch vor Auffinden von Heisigs Leiche aus Berlin abgereist und geht auf die Geschichte fast nur kursorisch ein. Die Justizsenatorin Gisela von der Aue - die, was Müller nirgendwo erwähnt, Heisig "besonders große Steine in den Weg" gelegt hatte - habe mit ihrer Pressekonferenz, in der sie mitten in den Freudentaumel der damals stattfindenden Fussball-WM am 3. Juli 2010 (s.o.) das Auffinden der Leiche Heisigs bekanntgab, so Müller, "ungeschickt" gehandelt. Er bemerkt zwar etwas ironisch an, die Justiz habe hier "ausnahmsweise mal schnell" gehandelt, zieht aber keine anderen Gründe für die panisch anmutende Hast der Senatorin in Betracht. Dass die Leiche dann ebenso eilig obduziert und (an zunächst unbekanntem Ort) beerdigt wurde, erwähnt er nicht. Er fragt auch nicht nach den Gründen, warum die Behörden von Anfang an eine totale Nachrichtensperre zu dem Fall verhängt hatten, und nicht, warum die Medien diese selbst verschwiegen. Müller weiss, dass die Staatsanwaltschaft - er sagt: die Polizei - erst auf gerichtlichen Beschluss hin "Informationen an die Presse weiterreichte", sagt aber nicht, dass ein journalistischer Einzelkämpfer diesen Beschluss erst in letzter Instanz beim OVG erstritten hatte, erst recht nicht, dass diese Informationen dann doch nur ein von der Staatsanwaltschaft aufbereiteter Bericht waren und eine Akteneinsicht nach wie vor verwehrt blieb. Müller hat sich für die ungeklärten Details zu den Umständen des Todes einer ihm nahestehenden Person scheinbar nicht besonders interessiert. Oder doch? Zunächst. Denn das Schicksal Heisigs setzte ihm derart zu, dass er psychotherapeutische Hilfe suchte, zunächst ambulant, dann stationär in einer Klinik. Dort endlich, schreibt er, hatte er "Gelegenheit, noch einmal über alles nachzudenken, was geschehen war. Unter anderem auch darüber, was nach Kirstens Tod passiert war." (202) Das Ergebnis dieses Nachdenkens steht in diesem Buch. Dabei trieb ihn die Sorge, dass das "ungeschickte" Verhalten der Justizsenatorin "Futter für diverse Verschwörungstheoretiker" gewesen sei. Seine vordergründige Darstellung des Vorgangs auf einer halben Seite (201) hält er für geeignet, wie er apodiktisch sagt, "um ein für allemal klarzustellen, dass ein Fremdverschulden nicht vorlag. Niemand hatte Schuld an ihrem Tod, auch Kirsten selbst nicht. Sie war einfach krank." (202) Diese These versucht er zu belegen, indem er sich als intimen Kenner von Heisigs seelischer Verfassung darstellt. "Ich wusste, dass Kirsten suizidal war und auch unter Depressionen litt... Das Suizidale, ... bei Kirsten war es eindeutig vorhanden." Etc. So geht es über mehrere Seiten. "Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie sie mir genau darlegte, wie sie es beim nächsten Mal [einen Suizid habe sie bereits versucht] machen würde: Erst Tabletten einnehmen und dann zur absoluten Sicherheit eine weitere Tötungsmethode." Und einen Ort wählen, an dem sie nicht so schnell gefunden würde. Das habe Heisig ihm wenige Wochen vor ihrem Tod "mit glänzenden Augen" erzählt. (198) Das passt genau zu der Story, die einst in den Zeitungen stand. Es scheint, als habe die Psychotherapie bei Müller nicht, wie er schreibt, Verdrängungen bewusst gemacht, sondern ihn, wie es nicht selten geschieht, durch Stabilisierung seiner Verdrängungen wieder arbeitsfähig gemacht. |
01. Juli 2014: In diesen Tagen wird der im Herbst 2013 gedrehte TV-Spielfilm Das Ende der Geduld auf zwei Filmfestveranstaltungen erstaufgeführt: Filmfest München: am 30.06. und 01.07. (2x) Festival des deutschen Films in Ludwigshafen: 03.07. bis 06.07. (4x) Drehbuch: Stefan Dähnert Regie: Christian Wagner Darsteller: Martina Gedeck, Jörg Hartmann, Sascha Alexander Gersak, Sesede Terziyan, Mohamed Issa u.a. Produktion: ...im Auftrag des BR/NDR Auf der Netzseite http://www.wagnerfilm.de/de/news/ (Aufruf: 01.07.2014) war dazu u.a. zu lesen: Der Fall der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig erregte nach ihrem vermutlichen Selbstmord 2010 sehr viel Aufsehen. Kurze Zeit später wurde ihr damals schon abgeschlossenes Buch „Das Ende der Geduld“ zum Bestseller. Danach und nach eigenen Recherchen hat Christian Wagner einen fiktiven Film gedreht, dessen Hauptfigur Corinna Kleist der historischen Figur nachgebildet wurde und die, wie ihr Vorbild, Jugendrichterin aus Leidenschaft ist. Sie hat die Vision, dass das Gericht Jugendliche durch rasche und strenge Bestrafung davor bewahren kann, zu erwachsenen Schwerststraftätern zu werden. Sie lehnt sogar eine attraktive Beförderung ab, um weiter Jugendrichterin im Krisenbezirk Neukölln zu bleiben. Dort entwickelt sie ein Modell, das eine bessere Zusammenarbeit zwischen Polizei, Jugendämtern, Schulen und Justiz garantieren und das ihr Vermächtnis werden soll. Doch sie hat es auch ganz konkret mit dem libanesischen Clan um den jungen Intensivtäter Nazir zu tun, der den Drogenhandel in der Berliner Hasenheide beherrscht. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dessen kleinem Bruder Rafiq, dessen kriminelle Karriere eine beschlossene Sache zu sein scheint. Doch nicht nur die jugendlichen Gangster sind ihre Feinde. Auch den trägen Gang der Dinge deckt sie auf und macht sich durch Auftritte in Presse und Fernsehen auch in Politik und Verwaltung viele Feinde. "Das Ende der Geduld" birgt für sie auch ganz persönliche Risiken bis hin zu ihrem tragischen Tod. Martina Gedeck in der Hauptrolle ist mit ihrer leidenschaftlichen Interpretation der Figur das Kraftzentrum dieses spannenden und kompromisslosen politischen Films über ein lange tabuisiertes Thema. Zwei Stellen in diesem Text lassen hoffen: Im ersten Satz die Rede von dem vermutlichen Selbstmord Heisigs und im letzten die von einem kompromisslosen politischen Film, der ein lange tabuisiertes Thema aufgreift. Leider musste ich auf Nachfrage von der ARD-Programmdirektion erfahren: |
5. Juli 2014: Nach der Aufführung des TV-Spielfilms Das Ende der Geduld auf dem Filmfest München schrieb die Süddeutsche Zeitung am 4. Juli 2014 in einer Kurzbesprechung (im Rahmen des Artikels Shakespeare würde Krimis schreiben (http://www.sueddeutsche.de/kultur/filmfest-muenchen-shakespeare-wuerde-krimis-schreiben-1.2029516): "Wagner setzt hinter die offizielle Darstellung ihres Todes als Selbstmord ein riesengroßes Fragezeichen. Er macht klar, wie die Richterin auf die Abschussliste libanesischer Clans gerät, wenn sie darum ringt, dass im Ämtergeflecht von Polizei-Jugendamt-Schule-Justiz die Gefährlichkeit der Clans überhaupt erst wahrgenommen wird." Man darf gespannt sein, ob der Film auch die Frage aufwirft, warum nach dem plötzlichen Verschwinden Heisigs und während der mehrtägigen Suche nach ihr nie von Ermittlungen in Richtung dieser Clans berichtet wurde. Das Thema wurde (s.o.) wie ein Tabu gemieden. Die unausgesprochene Frage lag freilich in der Luft; doch von amtlichen Stellen wurde immer wieder nur verlautbart, es gebe keinen Hinweis auf ein Verbrechen, d.h. die Suizidthese lanciert. Und die Medien stellten sie nicht in Frage. |
25. Juli 2014: Die Website "Die Academy" (http://dieacademy.de/2014/07/19/das-ende-der-geduld/) berichtete am 19. Juli 2014: Kirsten Heisigs früher und rätselhafter Tod hat eine ganze Nation berührt, ihr "Neuköllner Modell" lebt aber fort und hat schon einige Erfolge zu verbuchen. Vielleicht rückt dieser Film ihr Schicksal erneut etwas ins Rampenlicht. Ihre Geschichte hätte es auf jeden Fall verdient. |
22. November 2014: Das Interesse am Fall Kirsten Heisig wurde durch die Ausstrahlung des Films erwartungsgemäss noch einmal geweckt. 5'000'000 TV-Geräte empfingen den Film (lt. quotenmeter.de) aber nur 25'000 mal wurde der Wikipedia-Artikel "Kirsten Heisig", 12'500 mal diese Netzseite kirsten-heisig.info aufgerufen, d.h. die Zahl der Zuschauer, die sich um nähere Information bemühten, lag im Promillebereich, auch wenn man die Daten der Folgetage hinzunimmt. Alle grossen Zeitungen brachten vor Ausstrahlung des Films, also am 19. November, Besprechungen, inhaltlich meist teils-teils, einige recht garstig (Eine hyperventilierende Frau, Jana Simon in der ZEIT), insgesamt nichts Zitierenswertes.
Nur ein Bericht über eine Veranstaltung anlässlich der Filmausstrahlung am 19. November im Hauptstadtstudio der ARD sticht hervor:
Nach einer allgemeinen Schilderung des Abends:
Wenn auch gelegentlich zaghaft Zweifel an der amtlichen Version, wie Heisig zu Tode gekommen ist, aufscheinen, so bleibt es meist dabei, ohne auf die Konsequenzen einer solchen Sicht einzugehen (s.o. 14. Nov. 2014). |